J.P. Morgan hat auf seiner eigenen Blockchain-Plattform Kinexys Fund Flow erstmals Private-Equity-Fonds tokenisiert und damit die Tür zu einer neuen Ära der digitalen Kapitalmärkte geöffnet. Die Tokenisierung verspricht schnellere Abwicklung, geringere Verwaltungskosten und potenziell breiteren Zugang zur bislang illiquiden Anlageklassen.
Während J.P. Morgan den institutionellen Markt adressiert, zeigen Anbieter wie Trade Republic, dass auch aus Europa Bewegung kommt: Mit dem Angebot Private Markets versuchen mehrere Neobroker, Privatanlegern einen kostengünstigen Zugang zu alternativen Anlagen zu ermöglichen. Sicher ist, die Demokratisierung des Private-Equity-Markts nimmt Fahrt auf – technologisch, regulatorisch und strategisch.
Im folgenden Interview gibt Nourdine Abderrahmane, Experte für digitale Vermögenswerte, Tokenisierung und innovative Fondsstrukturen, seine Einschätzung zu den aktuellen Entwicklungen rund um die Tokenisierung von Private-Equity-Fonds und ordnet die Bedeutung dieses Schritts für die Branche ein.
1. Was bedeutet dieser Schritt für die Zukunft von Private Equity, Fondsstrukturen und digitale Vermögenswerte?
Die Tokenisierung von Private-Equity-Fonds markiert einen wirklichen Paradigmenwechsel in der Fondsindustrie. Bislang war diese Industrie nur einer kleineren Investorengruppe zugänglich, da die Verwaltungskosten relativ hoch sind und sich daher nur grössere Investments rentieren. Die Tokenisierung ermöglicht eine effizientere Abwicklung, niedrigere Verwaltungskosten und eröffnet daher den Zugang zu bislang illiquiden Anlageklassen für ein breiteres Investorenpublikum.
Durch die Nutzung von Blockchain-Technologie können Prozesse wie Kapitalabrufe, Ausschüttungen und Reportings automatisiert werden, was die operative Komplexität erheblich reduziert. Die Entwicklung bei JP Morgan könnte langfristig den Anfang zu einer Neugestaltung der Fondsarchitektur in der Industrie führen: weg von starren, geschlossenen Strukturen hin zu flexibleren, modularen Modellen, die digitale Assets integrieren und sogenanntes «fractional ownership» erlauben. Für Asset Manager eröffnen sich hierdurch einerseits neue Chancen, andererseits steigt die Notwendigkeit, ihre IT- und Governance-Systeme grundlegend anzupassen.
Nourdine Abderrahmane
2. Welche Rolle spielt Europa im globalen Wettbewerb um tokenisierte Kapitalmärkte?
Ich beobachte, dass Europa zunehmend die strategische Bedeutung der Tokenisierung für seine Wettbewerbsfähigkeit erkennt. Initiativen wie „Tokenise Europe 2025“ und regulatorische Projekte wie MiCA und das DLT-Pilotregime zeigen, dass die EU versucht, einen klaren Rechtsrahmen zu schaffen und Innovation zu fördern. Dennoch bleibt Europa im Vergleich zu den USA und Asien zurückhaltender, vor allem wegen fragmentierter Märkte und meiner Meinung nach zu langsamer Harmonisierung.
Die Schweiz nimmt in diesem Kontext eine Sonderstellung ein: Sie gehört zu den weltweit fortschrittlichsten Jurisdiktionen für Blockchain und DLT. Mit dem Inkrafttreten des DLT-Gesetzes im Jahr 2021 hat die Schweiz als eines der ersten Länder einen umfassenden Rechtsrahmen für die Tokenisierung geschaffen. Dieser erlaubt die Ausgabe von ledger-basierten Wertrechten und die Zulassung von DLT-Handelsplätzen, was eine rechtssichere Infrastruktur für digitale Vermögenswerte bietet.
Daher denke ich, dass Europa perspektivisch eine führende Rolle einnehmen könnte – insbesondere durch die Kombination aus regulatorischer Stabilität und technologischem Know-how. Der Wettbewerb wird sich daran entscheiden, wie schnell Europa Investorenvertrauen gewinnt und USA und Asien den Rang abläuft.
3. Wie realistisch ist die Vision einer vollständig digitalisierten Fondsarchitektur?
Eine vollständig digitalisierte Fondsarchitektur ist durchaus realistisch, aber nicht kurzfristig umsetzbar. Technologisch sind die Bausteine vorhanden: Blockchain-basierte Register, Smart Contracts und cloudnative Plattformen können den gesamten Fondslebenszyklus abbilden. Die größten Hürden liegen in der Integration bestehender Systeme, regulatorischer Anpassung und der Akzeptanz bei institutionellen Investoren.
White-Label-Plattformen und modulare Betriebsmodelle zeigen, dass sich die Branche bereits in Richtung digitaler Strukturen bewegt. Dennoch wird die Transformation schrittweise erfolgen – zunächst durch hybride Modelle, die klassische Fondsstrukturen mit digitalen Prozessen kombinieren. Vollständig digitale Fonds dürften in den nächsten fünf bis zehn Jahren Realität werden, vor allem in regulierungsfreundlichen Jurisdiktionen wie Luxemburg oder der Schweiz.
Über Nourdine Abderrahmane:
Nourdine Abderrahmane ist Partner bei Magpie Projects in Zürich, einer Beratung mit Fokus auf Kapitalmarktthemen. Er unterstützt Unternehmen bei Digitalisierungs- und Transformationsprojekten und behält dabei die Entwicklungen im Bereich digitaler Assets im Blick.

















